Estimated reading time: 32 minute(s)
Lesedauer 9 Minuten
Sind wir nun Monogam oder Polyamor?
Manche von uns sind Monogam, viele sind es wahrscheinlich nicht und müssen ihre individuelle Partnerschaft gestalten.
Ausgeschlossen werden kann Polygamie, denn diese auf Sex mit vielen Partnern zentrierte Lebensweise, fehlt die tiefe und befriedigt niemanden auf Dauer. Ich möchte die Polygamie klar von der Polyamorie abgrenzen. Polygamie zentriert sich auf Sex, Polyamorie auf die Liebe.
Wie sich das normale Verhältnis nennt und ob Liebe oder Sex bei einem Seitensprung im Vordergrund stehen, will ich nicht bewerten. Ich halte das unausgesprochene Fremdgehen für nicht geeignet für tiefere Verbindungen, da ich Ehrlichkeit als Bedingung für Vertrauen betrachte.
Wenn du deine Entscheidung, deiner Liebe auf bestimmte Weise mit nur einer bestimmten anderen Person Ausdruck zu geben, als ein heiliges Versprechen ansiehst, das nie gebrochen werden darf, dann mag der Tag kommen, wo du dieses Versprechen als Verpflichtung empfindest – und wirst dich darüber ärgern. Doch wenn du diese Entscheidung nicht als ein nur einmal gegebenes Versprechen ansiehst, sondern als freie Wahl, die du immer und immer wieder triffst, wird dieser Tag der Ablehnung nie kommen. Denk immer daran:
Es gibt nur ein heiliges Versprechen – und das ist, daß du deine Wahrheit sprichst und lebst. Alle anderen Versprechen bedeuten einen Verlust von Freiheit, und dieser kann nie etwas Heiliges sein. Denn Freiheit ist, wer du bist. Wenn du die Freiheit einbüßt, büßt du dein Selbst ein. Und das ist kein Sakrament, das ist Blasphemie.[1]Gespräche mit Gott von Neil Donald Walsch Band 3
Wenn ich bei meinem Partner nur bleibe, weil ich mich an ein vor Jahren gegebenes Versprechen gebunden fühle, es aber gleichzeitig nicht schaffe, die Beziehung wieder lebendig und fruchtbar für beide werden zu lassen, so daß beide gern in der Beziehung sind, so entspricht das zwar der gängigen Moral, aber in der Sichtweise Gottes, wie er in den Büchern von Walsch sich äußert, ist dies Verrat, Verrat an sich selbst, die höchste Form von Verrat.[2]Freiheit von der Eifersucht von Thomas Deutschbein
Ich klammere hier diejenigen Beziehungen aus, die aus sich selbst heraus Monogam sind und nicht nur deshalb, weil man sich seine Natur nicht eingesteht, Ängste hat verlassen zu werden oder weil der Partner mit Eifersucht droht.
Monogamie aus sich selbst heraus, in der die Partner das beide einfach von Natur aus wollen, klingt wunderbar.
Wenn Monogamie im eigentlichen Sinne eben dieses ist, die natürliche Beschränkung auf einen einzigen Partner, dann sollten wir irgendeinen anderen Begriff dafür finden. Denn das was um uns herum als monogame Beziehung betrachtet wird, ist eine sexuelle Treue auf Zeit. Über aufkommendes begehren nach anderen Partnern, Seitensprünge und Bordellbesuche, spricht man nicht. Man konditioniert sich gegenseitig und ist Eifersüchtig oder lässt sich von der Eifersucht des Partners leiten. Ich glaube, das ist die normale Realität.
Monogamie
Monogamie ist geschichtlich eine eher junge Idee der Kirche und konnte erst im 17. Jahrhundert durchgesetzt werden.[3]Die Hexenverfolgung endet im 16. Jahrhundert. Die letzten Verurteilungen waren 1736 in Hela (Preußen),1782 in der Schweiz und 1793 in Posen. Wobei noch 1944 dieses Hexengesetz angewendet wurde um … Continue reading Die Ehe und Sexualität mit nur einem Partner, hatte ursprünglich materielle Gründe und richtete sich auf Sicherheit und sozial erwünschte Verbindungen und Nachkommen aus.
Aus einer Quelle von Tacitus 98 n.Ch. wird berichtet, dass die Germanen sehr sittlich gewesen seien, in dem Sinne, dass sie überaus Monogam beschrieben werden, mit strengen Strafen bei Übertritt.[4]Tacitus – DE ORIGINE ET SITU GERMANORUM LIBER 16-27 Das Privatleben der Germanen Quellen von vor 1000 Jahren besagen aber deutlich eine ausschweifende Sexualität. Da die Kirche in der Folge viel Zeit dafür aufgewendet hat, die Monogamie durchzusetzen, erscheint es mir, als sei das nicht das überwiegende Verständnis der damaligen Menschen gewesen. Wenn beides Stimmt, dann zeigt der Wandel, dass eben beides Kulturell überliefert ist.[5]An dieser Stelle verbleibt die Frage nach etwaigen Geschichtsfälschungen, siehe hierzu: Der gefälschte Mensch (Leseprobe) von Gerrit Ulrich
Gewiss gibt es Menschen, für die ein monogames Verhältnis das Richtige ist aber für die Mehrheit funktioniert das nachgewiesenermaßen nicht.[6]Je nach Statistik und der Meinung von Therapeuten, gehen 50-90 % der Menschen fremd. Männer wie Frauen gleichermaßen. Die Liebe ist grenzenlos und sie zu beschränken, begrenzt ebenso die Liebe. Nun muss Liebe nicht zwingend sexuell sein, aber oft genug ist sie es eben, da Sexualität ein wichtiger Ausdruck von Liebe ist.
Beziehungsformen
Wir sind vielschichtige Wesen und so haben wir sowohl die Sehnsucht nach Sicherheit und langjährigen bis lebenslangen Verbindungen, als auch Abenteuerlust. Die Sexualität mit einem Menschen kann weit in die Tiefe führen, man lernt sich intensiv kennen, vertrauen, weiß was der Andere mag und kennt seine Themen. Oft genug führt so eine lange Verbindung jedoch auch aus der Sexualität heraus, das bekannte wird langweilig, die Faszination lässt nach. Die Angleichung an den Partner und der gemeinsame Alltag, reduziert die polare Anziehung. Oft genug ist man sich in so einer Beziehung ähnlich und gleicht sich zusätzlich noch an. Es ist eine Beziehung zum Wohl, weil durch die Ähnlichkeit kein Grund besteht sich zu reflektieren oder durch Konfrontation mit Unterschieden, neue Wege gehen zu müssen.
Und da kommt der andere Impuls in uns zum Tragen, hin zum Fremden, Unbekannten, zur spontanen Lust. Aphrodite die sich Ares hingibt, einer illegalen Verbindung. Es wird geheim geliebt und verbotene Lust gelebt und darin liegt die Freude und der Reiz. Die Hingabe an den Impuls zur Intimität, spontane Erotik, die geradezu Mitreißen kann und genau wie die schaumgeborene Aphrodite, mitunter Chaos verursacht. Die Beziehung mit einem uns eher fremden Partner, ist eine Beziehung zum Heil, denn in ihr werden wir vieles lernen. Die Beziehung ist deshalb zum Heil, weil durch die Begegnung mit dem Unterschiedlichen, mit der anderen Wesensart des Partners, Entwicklungsprozesse gefördert werden. Man begegnet seinen eigenen Schatten, weil der Partner etwas macht, was diese antriggert. Ein sehr ähnlicher Partner würde das weniger tun, aber hier besteht die Notwendigkeit sich mit diesen Schatten auseinanderzusetzen. Die Gefühle zeigen an, wo ein Schatten liegt, je mehr sie aufwallen, desto mehr ist dort zu lernen. Wenn wir diese Aufgaben meistern, werden wir heiler, ganzer. Wir ent-wickeln uns.
Auf der anderen Seite steht, dass so eine Partnerschaft auch zu neuen Verwicklungen führen kann, wenn die Aufgaben nicht angenommen werden und zu sinnlosem Streit führen.
Diese beiden Beziehungsformen wechseln sich oft ab, erzählt uns Rüdiger Dahlke. Denn die Beziehung zum Wohl, wird mit der Zeit langweilig, man ist sich eben sehr ähnlich. Die Verbindung zum Heil dagegen ist Spannend, die Gegensätze interessant, bis zu dem Punkt an dem die Geborgenheit fehlt und der Alltag nicht klappt. Es ist Naheliegend, beides nebeneinander da sein zu lassen. Nicht so der Monogame Partner, der sich lieber trennt, wenn ihm etwas fehlt und sich dadurch unerfüllt empfindet. Ich meine, das ist ein häufiger Trennungsgrund und aus meiner Sicht traurig, denn darunter leiden unsere Kinder und viel zu oft findet ein Rosenkrieg statt.
Polyamorie
Der Begriff der Polyamorie ist dagegen neu, der Grundgedanke jedoch sehr alt und es gibt viele geschichtliche Überlieferungen, wieviel freier miteinander geliebt wurde. In Ägypten und Indien sind solche Zeugnisse über sexuelle Darstellungen zum Beispiel noch zu finden.
In den Tempeln gab es Liebesdienerinnen und galt als große Ehre, wenn die Tochter dort aufgenommen wurde. Dort sollen dann Männer in die Liebe eingeführt worden sein und den liebenden Körpern, wurde zu spirituellen Zwecken Raum gegeben. Die Baderinnen unserer Lande heilten mit Sexualität, heißt es und man fand Zeugnisse von den ungezwungenen Sitten der Badehäuser. Sexualität war bei den Heiden mit Spiritualität verwoben und geschah auch direkt zu ehren der Götter. Die Sitten waren im ausgehenden Mittelalter noch ganz ungezwungen in den Gesindehäusern, wovon wir wissen, weil die Kirche sich mit diesem „Problem“ beschäftigt hat.
„Für die Mehrheit der Bevölkerung gab es Gemeinschaftsbetten, in die sich die Knechte und Mägde, Wanderer, Prälaten, der Schulte, die Musikanten die Kinder und manchmal auch die Herren drängten und in dem, sehr zum Mißfallen der Kirche, häufig mehr als zehn Personen splitternackt und kunterbunt durcheinander schliefen. Als einfache Regel galt, „wenn man sein Hemd anbehielt, signalisierte man damit der Bettgenossin oder dem Bettgenossen, daß man nicht belästigt werden möchte.„[7]Zusammengetragen von Ottmar Lattorf – Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum ? Oder Wie die sexualfeindliche Moral in Europa etabliert wurde
Die Polyamorie wird oft missverstanden, denn es geht hier nicht darum wild durch die Gegend zu Vögeln, sondern im Zentrum steht die Liebe. Oft genug kann sich der Monogam konditionierte Mensch, nicht vorstellen dass das funktionieren kann, einfach weil er es für unmöglich hält, der Eifersucht zu entkommen. In der Ablehnung wird dann schnell der Sprung von einem Partner zu ganz vielen gemacht, aber auch darum geht es nicht. Es mag solche polyamoren Beziehungen geben, die zu fünft funktionieren, aber naheliegender ist doch eine weitere Liebesverbindung zur Ersten. Ob diese Liebe dann Sexualität einschließen oder nicht, ist ebenfalls individuell. Es geht im Kern einfach darum, sich der Liebe und Intimität zu öffnen und sie nicht auf die Zweierbeziehung als Dogma zu beschränken. Meistens wird Sexualität außerhalb einer Basisbeziehung gelebt, entweder mit einem zusätzlichen Partner oder gelegentlichen Affären. Grundsätzlich sind Polyamore Verbindungen auf lange Zeit ausgelegt und dauern oft länger als die heutigen exklusiven Zweierbeziehungen.
Beziehungsformen
So ein Modell wie Polyamorie kann den Geist öffnen, für andere Möglichkeiten der Liebesbeziehung. Darunter kann viel Zusammengefasst werden und ist damit benennbar. Imgrunde sollte es jedoch aus meiner Sicht darum gehen, die eigene Form zu finden. Das zu leben, was in uns ist, das zu leben was sich mit anderen Menschen ergibt, ganz frei von Dogmen und Modellen. Ganz so wie man sich selbst vorfindet, wie es natürlich ist, wenn man all die Bilder des „wie man das macht“ loslässt.
Beobachtet man die Menschen und beschäftigt sich mit der Liebe als Grundprinzip, zeigt sich die Tendenz, das die überwiegende Mehrheit im Korsett der Monogamie nicht glücklich ist und das es im Sinne der Liebe auch nicht stimmig ist. Wahre Liebe lässt frei, formuliert es Robert Betz.
Der Weg
Ein wesentliches Problem an der Sache ist die Eifersucht. Neben der Habsucht wurde die Eifersucht früher als die schlimmsten Süchte und Sünden angesehen. Und heute, sehen viele Menschen Eifersucht sogar als Liebesbeweis, sie ist so verbreitet und „normal“ das sie kaum in Frage gestellt wird. Man will nicht wissen, das es Menschen ohne Eifersucht gibt und das sie durch Bewusstseinsarbeit verschwinden kann.
Daneben stehen die vielfachen Bilder, die uns Tagtäglich als normal hingestellt werden. In jedem Film, auf Plakaten der Werbung – so viele Menschen behaupten, es ginge nur Monogam und sie seien Glücklich. Die meisten Beziehungen sind aber nicht wirklich Monogam, denn die Mehrheit geht ja fremd und die meisten Beziehungen sind auch nicht Glücklich, aber das wird nur unter vorgehaltener Hand der besten Freundin anvertraut. Der Therapeut soll es dann richten, dieser aber steckt meist ebenfalls im Dogma der Monogamie.
- Bücher
- Freiheit von der Eifersucht von Thomas Deutschbein
- Mythos Erotik von Rüdiger Dahlke
- 5 Lügen die Liebe betreffend von Michael Mary
- Die Kunst des Liebens von Erich Fromm
- Der unerlöste Eros von Dieter Duhm
- Beiträge
Quellen und Hinweise
↑1 | Gespräche mit Gott von Neil Donald Walsch Band 3 |
---|---|
↑2 | Freiheit von der Eifersucht von Thomas Deutschbein |
↑3 | Die Hexenverfolgung endet im 16. Jahrhundert. Die letzten Verurteilungen waren 1736 in Hela (Preußen),1782 in der Schweiz und 1793 in Posen. Wobei noch 1944 dieses Hexengesetz angewendet wurde um eine mediale Frau einzusperren. ->Quelle Schon seit beginn, dieses Jahrhunderte andauernden Terrors der Kulturvernichtung, war die Ehe als einzige Geschlechtsbeziehung angestrebt worden. |
↑4 | Tacitus – DE ORIGINE ET SITU GERMANORUM LIBER 16-27 Das Privatleben der Germanen |
↑5 | An dieser Stelle verbleibt die Frage nach etwaigen Geschichtsfälschungen, siehe hierzu: Der gefälschte Mensch (Leseprobe) von Gerrit Ulrich |
↑6 | Je nach Statistik und der Meinung von Therapeuten, gehen 50-90 % der Menschen fremd. Männer wie Frauen gleichermaßen. |
↑7 | Zusammengetragen von Ottmar Lattorf – Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum ? Oder Wie die sexualfeindliche Moral in Europa etabliert wurde |