Selbstliebe, Narzissmus, Egoismus

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In der Spiritualität ist immer wieder davon die Rede, wie wichtig es sei, sich selbst lieben zu lernen. Ebenso in der Liebeskunst gilt es als Voraussetzung um andere zu lieben, mit sich selbst zu beginnen.

Wenn ich mich nun selbst lieben gelernt habe und das ausspreche, kann ein Empfinden von Narzismus, Arroganz oder Egoismus aufkommen. Ich glaube dafür gibt es mehrere Ursachen. Doch betrachte meine Zeilen nicht als gegeben, sondern als Theorie, denn ich weiß selbstverständlich nicht, was in anderen Menschen vorgeht, ich kann es nur erahnen.


Die Liebe zu anderen und die Liebe zu uns selbst stellen keine Alternativen dar; ganz im Gegenteil wird man bei allen, die fähig sind, andere zu lieben, beobachten können, daß sie auch sich selbst lieben. Liebe ist grundsätzlich unteilbar; man kann die Liebe zu anderen Liebes-„Objekten“ nicht von der Liebe zum eigenen Selbst trennen. Echte Liebe ist Ausdruck inneren Produktivseins und impliziert Fürsorge, Achtung, Verantwortungsgefühl und „Erkenntnis“. Sie ist kein „Affekt“ in dem Sinn, daß ein anderer auf uns einwirkt, sondern sie ist ein tätiges Bestreben, das Wachstum und das Glück der geliebten Person zu fördern. Dieses Streben aber wurzelt in unserer eigenen Liebesfähigkeit.[1]Erich Fromm – Die Kunst des Liebens „Selbstliebe“


Narzissmus oder Selbstliebe?

Als ersten Grund sehe ich ein Missverständnis über Narzissmus. Der Narzisst ist ein äußerst unsicherer Mensch, der daraufhin seinen Selbstwert durch äußere Bestätigung sucht. Es gib darin zwei Richtungen. Entweder der Narzisst opfert sich auf, verhilft einem anderen z.B. zu einer Karriere um an dessen Früchten seinen eigenen Selbstwert zu erhöhen. Das soll für weibliche Narzissten häufiger gelten. Oder der Narzisst präsentiert sich selbst als „der“ Macher, er braucht Publikum, Anerkennung und ist geradezu Süchtig danach. Fällt der Applaus weg, fällt er tief in seinen tatsächlich sehr niedrigen Selbstwert zurück. Deshalb ist jeder Schein und jede Lüge recht, um die schön gemalte Maske zu erhalten, auch vor sich selbst.

Als zweiten Grund sehe ich den eigenen Unglauben. Die meisten Menschen sind so entfernt davon sich auch nur zu akzeptieren, von Selbstliebe sind sie so weit entfernt das sie nicht glauben können, das irgendjemand soetwas erreichen könnte. Es muss also einen Haken haben, es kann nicht wahr sein.
Ein Mensch der äußert er würde sich selbst lieben, kann also nur ein Egoist oder Narzisst sein.

Sich selbst zu lieben, bedeutet sich nicht höher aber auch nicht niedriger als andere zu sehen. Es ist kein Hochmut, keine Arroganz aber auch nicht zwingend Demütig.
Wer nun sich selbst nicht liebt, wird einem anderen schnell unterstellen, Arrogant zu sein. Der Selbstbewusste, sich liebende Mensch, dient als Projektionsfläche des eigenen mangelnden Selbstwertes.

„Wie kann der nur etwas tun, das ich mir selbst nicht erlaube!“
Es ist eben unerträglich, etwas bei anderen zu sehen, das man sich selbst verbietet. Das führt dazu, das innerlich der andere Abgewertet werden muss, Angegriffen oder das Verhalten unterbunden. Der Klassiker sind verliebte Pärchen.
„Wie können die nur vor meinen Augen ihrer Liebe durch Rumknutschen und Zärtlichkeiten Ausdruck verleihen!“
„Lasst das!, erinnert mich nicht daran, das mir das fehlt.“

Was unterscheidet den positiven und den negativen Egoismus?

Der negative Egoismus, denkt nur an sich selbst ohne darauf zu achten ob es irgendjemandem Schadet. Dieser Egoist ist häufig Opportunist, es geht im ausschließlich um sich selbst und seinen Vorteil.

Im positiven Egoismus achtet ein Mensch sich zuallererst selbst, achtet auf seine Bedürfnisse, übergeht sich nicht. Umgekehrt möchte er jedoch auch andere nicht übergehen, er verweilt in einer Achtung seiner Umwelt gegenüber, grenzt sich jedoch ab, wenn es für seine Bedürfnisse notwendig ist und verwehrt sich gegen eine ungefragte Einmischung in seine Belange.
Er äußert seine Bedürfnisse und sucht sie zu erfüllen, aber ohne Druck zu machen. Er nimmt sich selbst nur einfach wichtig.

Wenn ich meine, ein anderer sei wichtiger als ich selbst, übergehe ich damit immer wieder meine eigenen Bedürfnisse. Das führt mit der Zeit zu Wut auf mich und Projektion auf andere. Das schadet also demjenigen selbst und seiner Umwelt.
Der scheinbar tolle Anspruch, ist beim genauen hinsehen das Gegenteil.

Wenn jeder auf sich selbst Acht gibt, ist für alle gesorgt und alle fühlen sich wohl. Jedenfalls dann, wenn das Thema der Erwartungen betrachtet wurde und niemand für das nichterfüllen von eigenen Erwartungen angegriffen wird. Dazu ist es Notwendig Erwartungen zu erkennen, zu lernen allein zu sein und Erwartungen in Wünsche zu verwandeln.

Woran erkennt man nun, ob ein Mensch sich tatsächlich selbst liebt?

Er ruht in sich selbst, er sucht keinen Beifall, er braucht ihn nicht. Er ist einfach wie er ist und liebt es er selbst zu sein. Er hat Fehler, wir alle haben unsere Fehler, aber er kasteit sich nicht dafür, sondern liebt sich mit seinen Fehlern. Sich mit seinen Fehlern zu lieben, bedeutet nicht, das ich aufhöre an mir zu arbeiten und zu lernen. Es fällt aber die Selbstverurteilung weg.
Es kommt etwas gleichmäßiges in die Begegnung. Anerkennung und Lob ist etwas schönes, selbstverständlich, aber wenn man es für die Selbststabilisierung nicht braucht, blüht man nicht deshalb auf, sondern freut sich, gesehen worden zu sein, in dem Aufblühen das schon da ist.
Kritik macht den der sich liebt nicht fertig. Sich zu lieben, bedingt, sich selbst zu kennen, es ist also keine Überraschung wenn einer einen Fehler findet und Kritik daran äußert. Der Liebende erkennt seinen Fehler und akzeptiert das ein Anderer damit im Widerstand steht. Seine Welt gerät deshalb nicht in Unordnung und Kritik zieht nicht runter. Vielleicht ist an einer Kritik mal etwas neues, dann übt sich der Liebende darin, sich mit diesem „Fehler“ zu lieben und wenn er die Kritik und das dahinterliegende im Augenblick für bedeutend hält, wird er daran arbeiten und sonst zu seiner inneren Liste hinzufügen, an Dingen die er noch lernen und üben darf.

Wenn wir lernen uns selbst zu lieben, haben wir eine liebevolle Welt. Wer sich liebt, liebt auch seine Mitmenschen und geht mit allem um sich herum, liebevoll um. Der sich selbst liebende, Lebt in einem permanenten Gefühl der Liebe, die er ausstrahlt.

Quellen und Hinweise

Quellen und Hinweise
1 Erich Fromm – Die Kunst des Liebens „Selbstliebe“